Post aus Beirut - Eine Stadt der Gegensätze
Als Teil meines Studiums verbringe ich zurzeit ein Semester in Beirut, Libanon. Viele Bekannte aus Berlin haben mich nach meinem Eindruck von der Stadt gefragt und wollten wissen, wie sie sich von Berlin unterscheidet. Natürlich gibt es einige Unterschiede, angefangen bei essentiellen Versorgungsangelegenheiten wie der Qualität des Leitungswasser über die verschiedenen Regierungssysteme bis hin zu Alltäglichem. Doch was mir am stärksten aufgefallen ist, sind die vielen Gemeinsamkeiten:
Zum einen sei da die Linguistik genannt: Dort Berliner Schnauze und Hochdeutsch, hier der libanesische Dialekt in Unterhaltungen und das Modernen Standardarabisch im Schriftlichen. Doch sind beide Metropolen von Multilingualität geprägt - vor allem auf den Straßen der gentrifizierten Bezirke Getawi und Mar Mikhael, respektive Friedrichshain und Kreuzberg, hallt einem eher Englisch entgegen als die jeweiligen Landessprachen.
In dieser globalen Verkehrssprache versuchen dann auch die Taxifahrer*innen mit den Fahrgästen zu kommunizieren. Dies kann zu interessanten Gesprächen über verschiedene kulturelle Einstellungen führen, oder einfach zu urkomischen Verständigungsschwierigkeiten. Während der Fahrt mit der lokalen günstigeren Variante eines Taxis, dem Service, fiel mir eine weitere Gemeinsamkeit auf: Die Bezirke lassen sich durch ihre grundsätzlich unterschiedliche Ausstrahlung klar voneinander abgrenzen. Grade ist man noch beeindruckt von den auf Hochglanz polierten Fassaden in Downtown Beirut, respektive Mitte, schon ist man im lässig heruntergekommenen Mar Mikhael, respektive Wedding, um einer Performance im Zoukak Theatre oder silent green Kulturquartier beizuwohnen.
Die Liebe zu Kunst, Musik und Literatur ist eine weitere Ähnlichkeit der beiden Metropolen. In Beirut hört die Jugend dieselbe elektronische Musik, die auch in Berlin läuft, und Auftritte Berliner DJs sind keine Seltenheit in den lokalen Clubs und Bars. Beide Städte gelten als Hochburgen des des Partylebens. Die Szenen unterscheiden sich für mich nicht groß, oft erst dann, wenn ich abseits der Tanzfläche Gesprächsfetzen in verschiedenen Sprachen auffange: Libanesischer Dialekt, Armenisch, Englisch, Französisch, Italienisch, Syrischer Dialekt,... Es mischen sich aufgrund der hohen Migrationsrate im Libanon die verschiedensten (Sub-) Kulturen und Sprachen. Denn ähnlich wie Berlin gilt Beirut als sicherer Hafen für viele Menschen in prekären politischen und/oder wirtschaftlichen Verhältnissen. Durch die hohe Zuzugs- und Gentrifizierungsrate entstand in beiden Städten das große Problem der Wohnungsknappheit. In der unregulierten Marktwirtschaft Libanons wirkt sich diese Knappheit unmittelbar auf die Preise am Wohnungsmarkt und die Qualität der Wohnungen aus.
Beirut ist eine Stadt der extremen Gegensätze, doch, ähnlich wie in Berlin, wirkt das Stadtbild dadurch nicht zersplittert oder gespalten, sondern vielmehr reich an Möglichkeiten, lebhaft, divers und dynamisch.
Giulia Brabetz ist Autorin und Übersetzerin bei Rawafed. Außerdem studiert sie die Geschichte und Kultur des Vorderen Orients mit dem Schwerpunkt Semitistik an der Freien Universität Berlin.
Sie interessiert sich für (menschliche) Kommunikation in all ihren Erscheinungsformen, vor allem aber für Sprachen, Kulturen und Musik.
Giulia Brabetz is an author and translator at Rawafed. She studies the History and Culture of the Near and Middle East with focus on semitic languages at Freie Universität Berlin.
Apart from that, she is interested in (human) communication in all its forms, especially in languages, cultures and music.